Wir sind über den Atlantik gesegelt. Zu zweit, meine tapfere Frau und ich. Ein Jahr lang segelten wir auf einem 50 Fuß Monohull, von Valencia in die Karibik und zurück. Es war das härteste Jahr unseres Lebens, aber auch ganz sicher auch das Beste. Und wir werden wieder lossegeln, dann aber schöner und länger.

 

Unsere Vorbereitung dauerte fast zwei Jahre. Wir lasen gefühlt Tonnen an Büchern, lauschten Tipps und Seminaren. Unseren 40er Monohull tauschten wir gegen einen neuen 50er Mono, weil wir mehr Technik an Bord haben wollten, mehr Speed, mehr Sicherheit und mehr Platz. An Bord zu leben stellt ganz andere Anforderungen an ein Schiff, als Wochenend- oder Urlaubstrips. Zur Vorbereitung segelten wir eine Saison im Mittelmeer und als wir Richtung Atlantik losmachten, fühlten wir uns gut vorbereitet.

 

Es ist ein irres Abenteuer, wenn man seine Komfortzone verlässt und sich der Natur aussetzt. Ganz besonders, wenn man nur zu zweit ist. Biegst du von Gibraltar über backbord in den Atlantik ab, erfährst du sehr schnell, dass alle Bücher nicht mehr weiter helfen. Dann ist man im wahren Leben eines Offshore Seglers angekommen. Du bist nur Gast da draußen, den beeindruckenden Wellen und dem starkem Wind bist du völlig egal. Die Segelromantik weicht einem harten Bordalltag. 24 Stunden am Tag kümmert man sich um den richtigen Kurs, den idealen Segeltrimm und hält Ausschau nach Fischerbooten – 5 Tage und Nächte. Zwischendurch nutzt du jede Gelegenheit zum schlafen.

 

In Lanzarote trafen wir erstmals andere Atlantik Crosser und einige davon auf Katamaranen. Auffällig, dass vor allem Langstreckensegler auf Kats unterwegs waren. Da war z. B. Garry, der von Australien auf die Kanaren gesegelt war. Ich fragte ihn naiv warum er Katamaran segelt, statt eines „richtigen“ Segelschiffs. Er lächelte mich wissend und verzeihend an und heute weiß ich warum. Pardon me Garry.

 

Dann ist er da, „der“ Tag. Das Gefühl ist überwältigend, wenn der Moment kommt unwiderruflich die Leinen los zu machen und 2.500 nm Atlantik vor deinem Bug liegen. Du vertraust deiner Vorbereitung und hoffst nichts allzu wichtiges vergessen zu haben. Unser Crossing verlief sehr speziell, aber das ist eine andere Geschichte. Nur wenige Segler kommen ohne Probleme „rüber“. Das befriedigende Gefühl letztlich alle Aufgaben zu meistern, übertrifft den Frust des Moments, wenn die Schwierigkeit auftritt.

 

Über den Atlantik zu segeln ist völlig anders als 140 nm mit Nachttrip im Mittelmeer. 16 Tage lebten wir „im Hang“. Der kräftige Wind und die regelmäßigen nächtlichen Squalls bescherten uns ständig ordentliche Krängung und sehr wenig Schlaf. Ab und zu hielten Rutschmatten einen Teller auf einem Tisch, aber meistens aßen wir aus der Hand. Ein übliches Leben auf einem Monohull bei kräftigem Wind, aber das nimmt man erst auf Langfahrt richtig wahr.

 

Als wir in Barbados ankamen, waren wir völlig erschöpft und hatten die Nase voll vom segeln. Aber nach Regen folgt Sonnenschein und wer wie wir dem Segeln verfallen ist, kennt das Gefühl. Nachdem wir ausgeschlafen waren und alle notwendigen Reparaturen erledigt hatten, begann eine fantastische Zeit.

 

Die Carlisle Bay in Barbados ist ein idealer Ankerplatz zur Erholung. Kristallklares Wasser und die warme Sonne laden dich mehrfach am Tag zum schwimmen ein. Täglich kommen oder gehen andere Schiffe und es gibt immer einen Grund für eine gemeinsame Feier, ein paar Gehminuten von der Hauptstadt Bridgetown entfernt. Wir genossen die atmosphärische Vorweihnachtszeit bei 30 Grad und gewöhnungsbedürftiger Weihnachtsdekoration in den Nationalfarben blau-gelb.

 

Von Barbados segelten wir weiter nach St. Lucia. Dort liefen gerade die zahlreichen Schiffe der ARC Rallye ein und auch hier war die Atmosphäre ganz besonders. Gegen 18.00 h ist in der Karibik stockdunkel und angenehm warm, die ganze Nacht hindurch. Es ist eine ganz andere Art den Advent in Shorts zu genießen. Über das einmalige Dominica segelten wir nach Martinique, um dort mit befreundeten Seglern aus 5 Ländern ein Weihnachtsfest zu feiern, das wir nie wieder vergessen werden. Silvester verbrachten wir in Guadeloupe und seinen benachbarten Inseln, bevor wir weiter nach Norden segelten. Jede der besuchten Inseln wäre einen Bericht wert. Nevis, Barbuda, St. Croix, Culebra oder die legendären Bars in Jost van Dijk, das waren alles bleibende Erlebnisse. Wir segelten zu vielen traumhaften Orten, ankerten in malerischen Buchten und genossen das Leben in der Natur und Freiheit. Mehrere Stunden waren wir täglich im karibischen Wasser, lebten in der frischen Luft und aßen Lobster vom Meeresgrund unter uns. Gibt es etwas besseres als morgens nach dem aufwachen gleich ins Wasser zu springen, mit Schildkröten zu schwimmen und die Seesterne neben dem Anker zu zählen? Auch die Gemeinschaft der Segler, mit selbstloser Unterstützung und guten Gesprächen zählte zu den beeindruckenden Erlebnissen.

 

Auf jeder Insel fuhren wir mit unseren Fahrrädern (Klappfahrräder sind sehr zu empfehlen) oder per Mietwagen los um die Landschaft kennen zu lernen. Das wunderbare bei einer Reise mit dem eigenen Schiff ist, dass jeder sein eigenes Tempo gehen kann und die Ziele nach seinen Vorlieben auswählt. Du verweilst so lange, bis dich der nächste Ort ruft. Ich kann mir keine schönere Art des Reisens vorstellen, als mit einem Segelschiff abgelegene Orte zu besuchen. Mit dem eigenen Schiff erreichst du Orte, die für normalen Touristen nicht oder nur schwer zugänglich sind. Aber ein Jahr kann so kurz sein und leider trieb uns die Hurricane Season wieder zurück in die europäische Zivilisation und den Alltag in Mitteleuropa.

 

6 Monate ging das gut. Wir schauten uns immer wieder die Videos der Reise an und schwelgten in Erinnerungen. Wie wäre es wieder auf Reisen zu gehen? Mit einem besseren Schiff und weniger technischen Problemen? Mit mehr Speed und mehr Komfort? Diesmal um die Welt? Ich erinnerte mich an Garry und die vielen Kat Crews, die wir auf unserer Reise trafen. Die waren meist viel entspannter und hatten weniger Probleme als wir und das lag nicht an den Sundownern. Weniger Tiefgang beim ankern, mehr Speed, mehr Platz und Komfort – alles wichtig für „Liveaboards“. Obwohl wir überzeugte Mono Segler sind waren, fiel unsere Wahl auf einen Kat – der logische Weg. Also Mono verkaufen, Kat kaufen.

 

Zum Beginn musste ich erst viel über Kats lernen. Das magische Dreieck Budget, Speed und Komfort schien mir bei Kats noch extremer als bei Monos. Die Longlist von 20 Marken wurde schnell shorter, denn wir hatten klare Vorstellungen und unsere eigenen Erfahrungen als Liveaboards waren sehr hilfreich. Weniger Krängung würde das Leben leichter machen, am Tisch zu essen ohne den Teller festzuklemmen wäre großartig. Redundante Systeme mit zwei Motoren und zwei Rudern nehmen dir einige Sorgen vor technischen Ausfällen. Auch die Vorstellung bei Seegang nicht über die Treppe vom Cockpit zum Nav-Tisch zu torkeln, gefiel uns gut. Cockpit, Salon, Küche und Navi auf einem Niveau – und schon gibt’s reichlich blaue Flecken und Scherben weniger. Weniger Tiefgang erlaubt dir näher an Land zu ankern, das Handling mit den Dinghi ist viel bequemer und die Turks & Caicos und Bahamas sind plötzlich stressfrei erreichbar. Und das alles bei mehr Speed und viel Platz für die Crew und die nötige Ausstattung für die lange Fahrt. Um das zu verstehen, mussten wir erst mal 10.000 nm auf einem Mono segeln. Garry lächelt wissend.

 

Vor den obligatorischen Messebesuchen blieben 5 Marken übrig. Bei den komfortablen Schiffen war Leopard früh Favorit, aber gleich eine Jungfernfahrt von 5.700 nm von Cape Town in die Karibik? Ist für eine Jungfer schon heftig. Einfacher wäre es von der französischen Küste. Aber das Konzept der Leopard passte perfekt zu uns und wenn man viele Jahre um die Welt will, gehört die Strecke Cape Town – Karibik auch dazu. Die Vorteile waren zu überzeugend. Das einmalige Frontcockpit hatte es uns angetan, der Segelplan, das Innen- und Außendesign und die Verarbeitung. Alles schien ein gelungener Kompromiss zwischen Komfort und Speed zu sein und genau richtig für uns. Bei der Recherche fand ich kein negatives Feedback, ganz anders als bei allen anderen Marken. Sogar das Segelgefühl bei Seatrial war eine erfreuliche Überraschung. Das war gar nicht so langweilig zu segeln, wie ich erwartet hatte.

 

So sollte es sein:  es wird ein Leopard, eine 45er. Im Juli 2020 übernehmen wir in Cape Town und bis dahin haben wir Zeit unser zukünftiges Leben und die Reise zu organisieren. Wir werden vieles besser machen als beim ersten Mal und das Schiff wird ein wesentlicher Teil davon sein. In 20 Monaten beginnt unser Leben als open-end Weltumsegler. Wir können es beide kaum erwarten. Ich sehe uns schon in die Carlisle Bay in Barbados einlaufen, in St. Croix den frisch gefangenen Fisch grillen und in den Sociétés mit den Delphinen schwimmen. Fidji, die Whitsundays und Indonesien hat auch 17.000 Inseln. Es wird wunderbar.

 

Holger Binz, Luxembourg

 

 

Im Namen von Leopard Catamarans herzlichen Dank an Holger Binz für seinen sehr interessanten Bericht. Die weitere Entwicklung zur Reise mit der RIVERCAFE können Sie aktuell im Blog https://sailrivercafe.com/ verfolgen.